Was als eine gute Idee galt, entwickelt sich jetzt mehr und mehr zu einem echten Desaster: Gesunde solvente Unternehmen aus dem Mittelstand leihen sich Geld von privaten Anlegern und entlohnen die Geldgeber dann mit einer sehr guten Rendite. Eine Win-win-Situation für beide Seiten, sollte man meinen, denn die Anleger haben eine lukrative Form der Kapitalanlage gefunden und die Unternehmen bekommen frisches Geld, ohne den Umweg über die Bank nehmen zu müssen. Aber jetzt fühlen sich viele Anleger betrogen und sie haben damit sogar Recht.
Viele Firmen sind pleite
Das Projekt Mittelstandsanleihen ist nach Ansicht von Finanzexperten zu einer Art Sammelbecken geworden, in dem sich vor allem hochriskante Firmen sehr wohlfühlen. Diese Firmen sind so pleite, dass ihnen keine Bank mehr auch nur einen Euro leiht, aber es gibt offenbar immer noch genug gutgläubige Anleger, die auf diese Unternehmen hereinfallen und damit ihr Geld verlieren. Leider handelt es sich dabei nicht um unglückliche Einzelfälle, sondern um eine Allianz, die aus Banken, dubiosen Finanzdienstleistern und Firmen besteht, die nur eines im Sinn haben – bei den Anlegern abzukassieren. Durch die Praxis leidet der Ruf der mittelständischen Unternehmen und die Anleger werden hinters Licht geführt.
Es geht um Millionen
Wenn es um Abzocke bei Mittelstandsanleihen geht, dann spielt auch der Größenwahn vieler Unternehmer eine entscheidende Rolle. So wie zum Beispiel bei einem Agrarunternehmen, das jetzt in die Insolvenz gerutscht ist, und zwar mit Ansage, wie Beobachter berichten. Das Unternehmen hatte 600 Millionen Euro an Schulden angehäuft, denen gerade einmal 327 Millionen Euro an Umsatz gegenüberstanden. Versprochen hatte die Firma ihren Anlegern einst eine satte Rendite von sieben Prozent und 22.000 Anleger waren auf dieses Versprechen hereingefallen. Sie bangen jetzt um ihr Geld, denn es stehen 225 angelegte Millionen Euro auf dem Spiel. Wie die Geschichte ausgehen wird, das kann im Moment noch niemand sagen.
Viele andere Beispiele
Das mittelständische Agrarunternehmen ist nicht das einzige schlechte Beispiel, wie Mittelstandsanleihen im schlimmsten Fall aussehen können. Auch ein bekanntes Modeunternehmen, ein einst renommiertes Unternehmen für Müslis und auch ein Brennstoffhersteller stecken tief im Schuldensumpf und die Anleger wissen nicht, ob sie ihr Geld jemals wiedersehen werden. Geschätzt sind es rund 27 % der Firmen, die mit einer Ausfallquote rechnen müssen und das ist eine mehr als schlechte Bilanz.
Wer profitiert davon?
Bei den katastrophalen Fällen von gescheiterten Mittelstandsanleihen gibt es aber auch Gewinner. Zu diesen Gewinnern gehören unter anderem die Finanzdienstleister, die Banken, die Ratingagenturen und nicht zuletzt auch die Börsen. Sie haben in den vergangenen Jahren an den missglückten Geschäften mit Mittelstandsanleihen Honorare und auch Gebühren in Höhe von 400 Millionen Euro in die eigene Tasche stecken können. Geht ein mittelständisches Unternehmen in die Insolvenz, dann verlieren die Anleger ihr Geld, die Firma wird zerschlagen und die bekannten Profiteure verdienen daran dann noch einmal sehr viel Geld.
Ein Beispiel, dass es funktionieren kann
Eine bekannte Firma, die mit ihrem Orangensaft in vielen deutschen Haushalten über Jahre hinweg präsent war, gilt als Paradebeispiel, wie Mittelstandsanleihen funktionieren können und sollten. Die mittelständische Firma hat sich das nötige Betriebskapital nicht bei den Banken geholt, sondern gezielt private Anleger angesprochen und ihnen für ihre Finanzspritze eine gute Rendite versprochen. Der Versuch funktionierte auf ganzer Linie. Die Anleger konnten sich über eine attraktive Geldanlage und gute Gewinne freuen, das Unternehmen hatte den gewünschten finanziellen Background und alle Beteiligten waren hochzufrieden. Das funktioniert aber leider nicht immer so reibungslos, denn mittlerweile sind immer mehr Firmen auf dem Markt zu finden, denen keine Bank mehr Geld leiht.
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